Brüsseler Gesangverein (1837 – 1919)
Der Verein hatte sein Entstehen vier jugendlichen Leuten zu verdanken. Offenbar angeregt von den vierstimmigen Gesängen des Liederkranzes begannen sie Ende 1836 vierstimmigen Gesang zu erlernen.
Diese vier jungen Männer:
- Xaver Schirmer, Stadtseminarist, geb. 1819
- Josef Letzer, Stadtseminarist, geb. 1819
- Johann Schirmer, Silberarbeiterlehrling, geb. 1820 und
- Johann Käßer, Dreherlehrling, geb. 1820,
gründeten mit zehn anderen Gleichgesinnten am 20. Januar 1837 einen Verein. Da sie anfangs mit dem Spottnamen „Brüßler“ (herumziehende Straßensänger) belegt wurden, zerbrachen die „Brüßler“ den Spott, indem sie diesen Namen offiziell zum Ehrennamen, zum Vereinsnamen erhoben. Die jungen Leute hielten strenge Ordnung: Wer nicht Punkt 8.00 Uhr in der Singstunde anwesend war oder wer unentschuldigt fehlte, musste unerbittlich einen Groschen Strafe bezahlen. (Vom April bis Juli 1837 fielen 42 Groschen an).
1841 fuhren die Brüßler auf Leiterwagen – die Kosten trug die Stadtkasse (!) – zum 25jährigen Regierungsjubiläum des Königs nach Stuttgart, wo sie am Ständchen im Schlosshof teilnahmen.
1842 hatte der Chor 26 Mitglieder.
1843 gaben zehn Sänger von den 26 in Backnang ein Konzert.
1844 erfolgte die Weihe der ersten Standarte, der Vorgängerin unserer heutigen Standarte.
Diese wurde in Biberach gefertigt und kostete 116 Gulden.
1856 besuchten die Brüßler den Gesangverein Ellwangen. Ein Sänger traf zu Fuß in Ellwangen ein, da er in Gmünd die Abfahrt des Zuges verpasst hatte.
1886 erhielt Professor Biermann, der von 1870 bis 1901 als Zeichenlehrer an der Fortbildungsschule Gmünd – der Vorgängerschule der heutigen Fachhochschule für Gestaltung – lehrte, den Auftrag zum Entwurf einer Vereinsstandarte.
Die technische Ausführung der Standarte wurde dann vor allem von Vereinsmitgliedern durchgeführt, die auch den größten Teil der benötigten Materialien spendeten. Ihnen stand Professor Bauer, der ebenfalls an der Fortbildungsschule unterrichtete, in technischen Detailarbeiten zur Seite.
Am 3. Juli 1887 feierten die Brüßler ihr 50. Stiftungsfest mit 50 Gastvereinen. Höhepunkt dieses Festes war die Weihe der neuen Standarte. Dieses Fest stand für viele Tage im Mittelpunkt der örtlichen Ereignisse und in der Berichtserstattung durch die Remszeitung. Bereits in der Vorschau vom 29. Juni 1887 wird auf die große Beteiligung auswärtiger Gesangvereine am Brüßler Jubiläum hingewiesen. Weit über 1300 auswärtige Sänger wurden erwartet, dazu sollten noch über 250 Gmünder Sänger kommen.
Das Fest, zu dem in mehreren Anzeigen die gesamte Bevölkerung eingeladen worden war, begann am Samstagabend miteiner Vorfeier, an der die Stuttgarter Eintracht und der Geislinger Liederkranz mitwirkten.
Am Sonntag, den 3. Juli 1887, erschien folgender Artikel in der Rems-Zeitung:
„Sonnenhell beginnt der schöne Morgen. Kein Lüftchen regt sich, heilige Stille und feierliche Ruhe liegen über der schönen Stadt des Remstales. Der eherne Mund der Gebetsglocke tönt durch Straßen und Gassen, weckt manchen der Schlummernden, ruft insbesondere die Mitglieder eines Vereins zum Gotteshaus, um schon früh 5 Uhr des Himmels Segen für ihr teuerstes Kleinod zu erflehen: Es sind die Brüßler, welche in fromm-ernster Stimmung den Altar umstehen,
wo der Priester eben ihre neue Standarte segnet. Böllersalven ertönen vom Lindenfirst, Musik durchzieht die Stadt,
freudige Gesichter sieht man allberall. Schon kommen treue Sangesbrüder aus allen Himmelsrichtungen, erstaunt über das Prachtgewand, das Gmünd angelegt, erfreut vom warmen Händedruck, der ihnen geboten wird…
Nach der berühmten Probe in Mayer’s Garten war das Festmahl im „Rad“. Hierbei brachten Toaste aus:
- Oberlehrer Kaißer,
- Oberbürgermeister Untersee,
- Oberpostmeister Steidle von Stuttgart (Vertreter des Schwäbischen Sängerbundes und Liederkranzes in Stuttgart).
Um 2 1/2 Uhr stellte sich der Festzug in bekannter Weise auf, er war fasst endlos. Tausende umstanden die reich verzierte Bühne, als Oberbürgermeister Untersee vortrat, um die Festrede zu halten.
Er sagte unter anderem:
„Wenn Ihr Mitglieder des Brüßler Gesangvereins das heutige Fest im Vollbewusstsein dieser Eurer idealen Aufgabe feiert, wenn Ihr angesichts Eurer prächtigen neuen Standarte vornehmt, in geschlossener Einheit und unentwegt auch kräftig nur dieses Ziel im Auge zu haben, dann kann man Euch, wie ich es von Herzen tue, zum heutigen Tage beglückwünschen. Was Wunder, wenn heute das wohl gelungene Werk gekrönt werden soll durch sich Scharen um ein prächtiges neues Banner, das die Opferwilligkeit der Vereinsmitglieder“ nach dem künstlerischen Entwurf von Professor Biermann und Bauer geschaffen hat. Wohlan, Ihr Sänger, zeiget Euch dieser großartigen Anerkennung würdig und dankbar! Ferne seien von Euch Unfrieden und Zerwürfnisse jeder Art, ferne Flauheit und Gleichgültigkeit, ferne auch Selbstüberhebung und Eigendünkel! Pfleget die traditionelle Bescheidenheit und Gemütlichkeit, scheuet keine Mühe und keine Arbeit und füget Euch stets willig in die gut gemeinten Anordnungen Eurer erfahrenen und hoch zu achtenden Vorstände und Leiter!“
Der Jubel und Beifall wollte nach dieser begeisternden Rede nicht aufhören.
Anschließend übergab Frl. Veit die Standarte.
Sie rief; in ihren Schlussworten den Sängern zu:
„Sänger des Brüßler Gesangvereins! Blicket auf zu Eurer Fahne, schauet auf ihre leuchtende Farbenpracht!
Rein und hell wie sie ist, so töne Euer Lied; lauter und treu wie Edelmetall sei Euer Herz in Angelegenheiten des Vereines. ja seid eingedenk des Spruches: Einig im Lied, treu im Gemüt, ernst im Rat, frisch zur Tat!“
Im Verlaufe des Festes wurde Professor Biermann für seinen prachtvollen Entwurf und sein unentgeltliches Schaffen der Dank ausgesprochen und er wurde zum Ehrenmitglied des Brüßler Gesangvereins ernannt.
Dass es den auswärtigen Vereinen in Gmünd sehr gefallen hat, sollen die folgenden zwei Anzeigen belegen, die in der Rems-Zeitung erschienen sind:
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